Forschungsprojekte
Kulturen des Zusammenhalts: Neue Praktiken des Gemeinwohls (2020-)
Die westlichen Demokratien sind gespaltene Gesellschaften. Diese Diagnose ist allgegenwärtig. Dabei scheint es viele Gräben zu geben: zwischen arm und reich, Ost und West, Modernisierungsgewinner und -verlierer, Kommunitaristen und Kosmopoliten. Als Reaktion auf dieses Problem blüht aktuell eine alte Idee wieder auf, die nicht zuletzt in der Soziologie oft als längst überholt galt: die des Gemeinwesens. Immer mehr Konzepte tauchen auf, die neue Praktiken zur Herstellung von Allgemeinheit und Zusammenhalt vorschlagen, so zum Beispiel Modelle der ›Gemeinwohl-Ökonomie‹, ›Public Value Governance‹ und die ›Commons‹-Idee.
Das Forschungsprojekt nimmt diese neuen Praktiken des Gemeinwohls historisch und systematisch in den Blick. Es analysiert die unterschiedlichen Modelle des Allgemeinen (1), vergleicht ihre gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen und Praktiken (2) und ordnet sie kritisch ein (3). Dafür werden zwei Bezugspunkte herangezogen: einerseits die unmittelbaren Herausforderungen spätmoderner Gesellschaften, die sich in den Krisendiskursen abzeichnen; und andererseits die historischen Traditionen von Gemeinwohlpraktiken, wie sie in der politischen Ideengeschichte abgelagert sind.
Auf diese Weise untersucht das Projekt die Entstehung einer neuen Kultur des Allgemeinen und evaluiert sie vor dem Hintergrund möglicher normativer Ressourcen und vorhandener sozialer Probleme. Das Ziel ist, eine Systematik der Praktiken sozialer Kohäsion zu erarbeiten und die gegenwärtigen Zerfallsphänomene und Zusammenhaltsbemühungen vor diesem Hintergrund zu beurteilen.
Erste Zwischenergebnisse:
- ein Artikel über Demokratie bei Richard Sennett, der Republikanismus und Soziologie ins Gespräch bringt (erscheint in Stephan Lorenz (Hg.): In Gesellschaft Richard Sennetts. Bielefeld: Transcript 2020).
- Gegen Solidarität! Zwei Modelle sozialen Zusammenhalts und die Corona-Krise. In: Theorieblog, 23.04.2020.
Technologisches Regieren
Die kybernetische Transformation von Politik und Gesellschaft (2014-)
Wir leben in einer Welt, in der alles vernetzt ist. Auch Politik und Gesellschaft werden immer mehr in den Begrifflichkeiten des Netzwerks beschrieben. Mein Dissertationsprojekt geht diesem neuen Paradigma auf den Grund: Woher kommt das Netzwerk-Denken? Welche Merkmale hat es? Und welche Macht-Effekte produziert es?
Ich zeige, dass die Kybernetik Wahrnehmungs- und Denkmuster zur Verfügung stellte, mit denen Politik und Gesellschaft umgeformt werden konnten, nachdem die klassischen Konzeptionen in den Staats- und Modernekrisen zusammenbrachen. Dafür untersuche ich insbesondere Foucault und Luhmann, Gouvernementalitäts- und Governance-Theorien als Fälle technologischen Regierungsdenkens.
Dissertation (summa cum laude):
Technologisches Regieren. Der Aufstieg des Netzwerk-Denkens in der Krise der Moderne. Foucault, Luhmann und die Kybernetik
Gutachten: Prof. Dr. Herfried Münkler, Prof. Dr. Hartmut Rosa, Prof. Dr. Silvia von Steinsdorff
Einreichung 11/2018, Disputation 09/2019
Aufsätze
- Von ›Unregierbarkeit‹ zu Governance: Neoliberale, teleologische und technologische Staatskritik. In: Cavuldak, Ahmet (Hg.): Die Grammatik der Demokratie. Das Staatsverständnis von Peter Graf Kielmansegg. Baden-Baden: Nomos 2019 (Staatsverständnisse), S. 287-312.
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Markt, Hierarchie, Netzwerk: Konzepte der Stabilität in spätmodernen Demokratien (erscheint 2020 in Leviathan, Aufsatz angenommen)
Vorträge über
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Digitalisierung und Demokratie (u.a. bei der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Center for Advanced Internet Studies)
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The Rise of Network Ideas: from Cybernetics to Network Governance (zum Nachhören).
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Die große Transformation: Technologische und neoliberale Staatskritik
- Kybernetik und die Krise der Moderne. Zur Genese eines technologischen Regierungsdenkens
Theorie und Praxis der Transparenz (2012-2019)
Transparenz ist in den letzten Jahren zu einer Allzweckwaffe geworden: Sie gilt als Lösung für fast jedes politisches Problem und kaum eine Organisation kommt darum herum, sich auf Transparenz zu verpflichten. Seit 2012 gehe ich diesem Transparenz-Imperativ nach. Das Projekt begann mit einer Studie zur Entstehung der politischen Transparenz-Idee, die ich dann in Fallstudien bis in unsere Gegenwart nachverfolgt habe. Daneben vergleiche ich die normativen Ansätze und die empirischen Forschungen zur Transparenz und führe sie zusammen. Dabei begleite und berate ich auch Forschungsprojekte zum Thema.
Auf diese Weise entwickele ich derzeit eine Theorie der Transparenz. Sie legt systematisch die politische Rationalität der Transparenz frei, die das Soziale nach einem bestimmten Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster ordnet; sie zeigt historisch die Einsatzpunkte für gesellschaftliche Transparenzforderungen und evaluiert die Leistungen und nichtintendierten Effekte von Transparenzpraktiken.
Ausgewählte Publikationen zu dem Projekt:
- Ein Sammelband führt jetzt die sozialwissenschaftliche Transparenzforschung zusammen: Der Transparenz-Imperativ. Normen, Praktiken, Strukturen.
(Springer VS: Wiesbaden 2019 (hrsg. mit Fran Osrecki)). In unserer Einleitung bieten wir dabei einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand und skizzieren Herausforderungen für die Zukunft. - Öffentlichkeit und Transparenz sind nicht das gleiche: Über die besonderen Merkmale von transparenter Öffentlichkeit - und über ihre Probleme - gibt es jetzt einen Artikel.
- Aufschlag zu einer Theorie der Transparenz (PDF) in den Berliner Blättern (11/76, 2018, 129-156).
- Öffentichkeit oder Transparenz? Wie unterscheiden sie sich und warum ist das wichtig: Öffentlichkeit in der Transparenzgesellschaft: Merkmale, Ambivalenzen, Alternativen. In: Knobloch, Jörn (Hg.) Staat und Geheimnis. Nomos 2019 (Staatsverständnisse), S. 191-216.
- Poster über "The Governance of Transparency: When we choose it, how it works, why it fails" (Beitrag zur Herrenhausen Conference 2018)
- Geschichte und Wirkmechanismus der Transparenz: in Kurzfassung für government 2.0 oder in Langfassung als Buch "Die Ordnung der Transparenz"
- Wie die soziale Utopie der Transparenz in der Architektur von Bentham über Bauhaus bis Behnisch um gesetzt wurde - im Leviathan (45/34, 2018, 117-147). (Nomos eLibrary)