Symbolische Exklusion
VW-Projekt
"Symbolische Exklusion. Eine empirische Analyse der Formen und Folgen der Ethnisierung moderner Gesellschaften - dargestellt am Beispiel deutschstämmiger, polnischer und türkischer Migranten in Deutschland"
Zusammenfassung:
Das Forschungsprojekt untersucht, wie in Europa soziale Exklusion durch ethnische Differenzierung und deren diskursive Repräsentation in den Medien (dem "medialen Wirklichkeitsraum" der Deutungen des 'Anderen') eine neue Qualität gewinnt und durch Formen symbolischer Exklusion verstärkt wird. Die allgemeinste These ist, daß der Skandal, der die Ethnisierung moderner Gesellschaften begleitet, weniger Mobilisierungsspiralen sind, in denen sich die neuen Spannungen und Konfliktlinien entladen, als die durch symbolische Exklusion gelingende Festschreibung sozialer Exklusion. Die Forschungsfrage lautet: Wie (und inwieweit) tragen "identitäre Praktiken" der von sozialer Exklusion Betroffenen zu ihrer symbolischen Exklusion bei?
In einem ersten Schritt wird der Kontext identitärer Praktiken, aufbauend auf einer Sekundäranalyse der sozialstrukturellen Einbettung ethnischer Differenzen, mit Hilfe einer Primär- und Sekundäranalyse des "medialen Wirklichkeitsraums" erfaßt. Dieser mediale Wirklichkeitsraum ist bestimmt als das Universum an Deutungen, das im Mediendiskurs in Deutschland über den 'Anderen' (hier besonders: Türken und Polen) und über das kollektive Selbst in Relation zu diesem 'Anderen' kommuniziert wird.
In einem zweiten Schritt wird analysiert, wie die in diesem Diskurs repräsentierte sozialstrukturelle Wirklichkeit ausgedeutet und zur Konstruktion konkurrierender Identitätseinklagen benutzt wird. Es interessiert dabei, welches die "Diskursstrategien" sind, mit denen in einem gegebenen Kontext, dem virtuellen Raum medialer Wirklichkeitskonstruktionen, kollektive Identitäten ausbuchstabiert und konstruiert werden. Das Forschungsdesign ist auf eine theoretisch begründete Typologie von sechs Strategien der "Dekodierung" des medialen Wirklichkeitsraums aufgebaut, die auf ihre empirische Robustheit getestet werden sollen. Zusätzlich wird zu ihrer empirischen Überprüfung auf Interviews zurückgegriffen, in denen Fremdbeobachtungen der in diesem Diskursfeld aktiven Akteure erhoben und mit den hypothetisch unterstellten Dekodierungsstrategien konfrontiert werden sollen.
In einem dritten Schritt sollen Resultate der vergleichenden Fallanalysen empirisch generalisiert werden, was einer besonderen methodischen Kontrolle durch eine zu explizierende Logik der "Generalisierung durch Kontextualisierung" bedarf. Dieser Kontext hat eine historische und eine strukturelle Komponente. Die historische Komponente läßt sich (der Unterscheidung objektive Sozialstruktur und objektive Kultur folgend) zweifach bestimmen, einmal durch die Besonderheit der politischen Kultur in Deutschland und dann durch das Faktum, daß wir es hier mit einer gegen ihr eigenes Selbstverständnis zu einem Einwanderungsland gewordenen Gesellschaft zu tun haben. Dies legt die empirisch zu überprüfende Hypothese nahe, daß die deutsche Gesellschaft einer im europäischen Kontext spezifischen Logik ethnischer Exklusion folgt. Der modernisierungstheoretische Kontext verweist auf die interessante Frage, ob und inwieweit der Rückgriff auf kollektive Identitäten und damit verbundene 'Mobilisierungsspiralen' ("paradoxerweise") einen weiteren Schub der Modernisierung der Gesellschaft auslöst, der die strukturelle und kulturelle Anpassung an die Normalität von Migration vorantreibt. Die kontrollierte Einbeziehung solcher Kontextbedingungen erlaubt es, die Ergebnisse des Fallvergleichs zu generalisieren und zur empirischen Grundlage theoretischer Verallgemeinerungen zu machen.
Leitung: Prof. Dr. Klaus Eder
Projektmitarbeiterin: Dr. Edith Pichler