Humboldt-Universität zu Berlin - Allgemeine Soziologie und Kultursoziologie

Sonstige Projekte

Mitherausgabe der Edition Theorie und Kritik

Springer VS, herausgegeben von Rahel Jaeggi, Stephan Lessenich und Hans-Peter Müller

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Dass die westliche Moderne mit ihrer spezifischen Kombination von demokratischer Politik und kapitalistischer Ökonomie eine grundsätzlich prekäre und strukturell krisenhafte Gesellschaftsform darstellt, konnte sich in den glücklichen Nachkriegsjahrzehnten politischer Stabilität und wirtschaftlicher Prosperität von einer gesellschaftlichen Alltagserfahrung in abstraktes sozialwissenschaftliches Wissen verwandeln. Zuletzt aber ist die Erfahrung der Krise mit einer Macht in die soziale Welt der reichen Demokratien zurückgekehrt, die viele nicht mehr für möglich gehalten hätten. Krise und Kritik, so heißt es, sind einander ständige Begleiter, Geschwister im Geiste der gesellschaftlichen Moderne. Doch herrscht selbst angesichts des erneuerten demokratisch-kapitalistischen Krisenszenarios eine erstaunliche, ja unheimliche Ruhe an der Front der Kritik. 
Ein – vielleicht entscheidender – Grund für die ebenso merkwürdige wie bemerkenswerte Absenz der Kritik in der Krise ist die diffuse Lage der sozialwissenschaftlichen Theoriebildung. Zum einen gibt es keine Großtheorien mehr – und wenn, dann vermögen sie zu den aktuellen Krisenszenarien nicht viel zu sagen. Zum anderen scheuen viele theoretische Positionen den – und sei es impliziten – Anschluss an die der Marxschen Kapitalismusanalyse zugrundeliegende Trias von Gesellschaftstheorie, Gesellschaftsanalyse und Gesellschaftskritik. Im Zweifel berufen sie sich dabei auf ein falsch verstandenes Postulat wissenschaftlicher Werturteilsfreiheit im Sinne Webers, das so gedeutet wird, als schließe dieses eine Praxis wissenschaftlicher Kritik aus – dabei fordert es umgekehrt eine kritische Gesellschaftsanalyse geradezu heraus. 
Die „Edition Theorie und Kritik“ schließt an eine Sozialwissenschaft in der Tradition von Marx und Weber an, indem sie Publikationen präsentiert, die die Professionalität der Wissenschaft mit der Intellektualität kritischer Reflexion zu verbinden verstehen. Sie ist offen für unterschiedlichste theoretische Ansätze und sämtliche Spielarten kritischer Perspektivierung, für Systematisches ebenso wie für Essayistisches, für Aktuelles wie Zeitloses – also für alles, was als Gesellschaftsanalyse im Namen von Theorie und Kritik antritt. Auf diese Weise wollen wir dazu beitragen, dass Kritik hierzulande wieder salonfähig wird, wissenschaftlich wie gesellschaftlich. 
Die Lage ist ernst, aber einfach: Was heute gefragt ist, sind gesellschaftliche Zeitdiagnosen und utopische Gesellschaftsentwürfe in kritischer Absicht. Nur so werden sich die Konturen westlicher Modernität auch im 21. Jahrhundert wissenschaftlich wie gesellschaftlich fortentwickeln lassen.
 

Trivium – Deutsch-französische Online-Zeitschrift für die Geistes- und Sozialwissenschaften

gefördert durch Agence Nationale de la Recherche (ANR) und Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

Betreuung: Prof. Dr. Hans-Peter Müller | Projektseite

 

Betreuung von Stipendiaten der Alexander von Humboldt Stiftung

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